Wirtschaftliche Lage

Von wegen Durchstarten nach der Corona-Pandemie. Aktuell liegt die Produktion der Metall- und Elektro-Industrie (M+E-Industrie) immer noch um 10 Prozent unter dem Vorkrisenniveau von 2018. Und leider spricht sogar vieles für wirtschaftliches Long-Covid: Putins Angriff auf die Ukraine und die neuen Corona-Lockdowns in China treffen die Weltwirtschaft – und gerade auch unseren Industriezweig. Die M+E-Industrie erwirtschaftet schließlich fast 60 Prozent des Umsatzes im Ausland. Und wenn jetzt auch noch ein Stopp für russisches Gas käme: Das würde die wirtschaftlichen Verwerfungen erheblich weiter steigern.

Verglichen mit der Produktion blieb die M+E-Beschäftigung fast stabil. Rund 3,9 Millionen Mitarbeiter hat Deutschlands größter Industriezweig derzeit. Das sind rund 155.000 weniger als vor den Krisen. Aber das unterstreicht: Die M+E-Betriebe tun nach wie vor alles, um ihre Belegschaften zu halten – auch wenn das leichter gesagt ist als getan. Denn die Erträge der Unternehmen stehen unter zunehmendem Druck. Obendrein muss weiter investiert werden, in die Megaaufgaben Strukturwandel und Digitalisierung. Was vor allem Mut macht beim Blick Richtung Zukunft: Gemeinsam können die M+E-Betriebe und ihre Mitarbeiter große Herausforderungen stemmen.

Umsatz: 1.176 Milliarden Euro

Exporte: 753 Milliarden Euro

Investitionen: 36,3 Milliarden Euro, Gewinne nach Steuern werden vollständig reinvestiert.

Beschäftigte: rund 3,9 Millionen

Unternehmen: 25.700

Durchschnittseinkommen: 60.280 Euro

Auszubildende: 180.000

Keine Rückkehr zum Vorkrisenniveau, bei Gas-Stoppdroht Rezession
Auch 2022 ist ein schwieriges Jahr für die M+E-Industrie. Die Produktion müsste noch um zehn Prozent wachsen, um wieder das Vorkrisenniveau von 2018 zu erreichen. Schon heute steht fest: Das ist angesichts des Ukraine-Krieges und der Null-Covid-Politik Chinas nicht zu schaffen. Im Gegenteil: Das Risiko eines Wirtschaftseinbruchs ist insbesondere bei einer weiteren Eskalation des Ukraine-Krieges sowie dem Eintreten massiver Gasengpässe riesig. Für 2023 erwarten wir eine Rezession.

Unternehmen halten trotz massiver Krisen an ihren Beschäftigten fest
Es ist bemerkenswert, in welchem Ausmaß die Unternehmen trotz der massiven Krisen bis heute an ihren Beschäftigten festhalten. Seit 2018 haben die M+E-Unternehmen nur 2,5 Prozent ihrer Arbeitsplätze abgebaut, obwohl die Produktion gleichzeitig um zehn Prozent gesunken ist. Ein weiterer Beweis dafür ist der massive Einsatz von Kurzarbeit, der trotz aller Unterstützung durch die Bundesagentur für Arbeit die Unternehmen viel Geld gekostet hat. Derzeit sind — obwohl die Wirtschaftslage anhaltend schwierig ist — immer noch rund 3,9 Millionen Menschen in den M+E-Unternehmen beschäftigt.

Sattes Plus für die Beschäftigten
Die Beschäftigten in der M+E-Industrie sind auch in den zurückliegenden Krisenjahren fair beteiligt worden. Der langjährige Anstieg der M+E-Entgelte lag immer über der Teuerungsrate. Dadurch hatten die Mitarbeiter auch real mehr Geld zur Verfügung. Beim Tarifabschluss 2018 wurde eine Tabellenerhöhung von 4,3 Prozent vereinbart, seitdem gab es Einmalzahlungen oder neue Sonderzahlungen. Und das trotz Produktionseinbruch und Corona-Krise!

Globale Krisen verschärfen wirtschaftliche Unterschiede in der M+E-Industrie
Die M+E-Industrie mit ihren rund 25.700 Betrieben ist vor allem mittelständisch geprägt. Rund 95 Prozent der Unternehmen haben weniger als 500 Mitarbeiter, 71 Prozent sogar weniger als 100. Und die wirtschaftliche Lage der Unternehmen ist sehr unterschiedlich. Einigen wenigen geht es sehr gut, sehr viele haben unter den aktuellen Krisen zu leiden.

Auch die verschiedenen Branchen innerhalb der M+E-Industrie haben sich zum Teil deutlich unterschiedlich entwickelt: Teile der Elektroindustrie profitieren zwar von der Energie- und Klimawende sowie der Digitalisierung und Automatisierung.

Gerade dort fehlen aber vielerorts Fachkräfte, um die Aufträge abzuarbeiten. Die Automobilindustrie produziert dagegen ein Drittel weniger Autos als 2018. Die Existenz vieler Zulieferer hängt nach wie vor am Verbrenner, dessen Marktanteil aufgrund politischer Entscheidungen zunehmend schrumpfen wird. Gerade diese Unternehmen haben einen hohen Investitionsbedarf zur Finanzierung der Transformation in neue Geschäftsmodelle. Die Lage der Hersteller von Metallerzeugnissen, wie Schmiede- oder Stanzteilen, sowie der Maschinenbauer hängt wiederum davon ab, in welche Branchen geliefert wird.

Dieses massive Auseinanderdriften der wirtschaftlichen Situation der Unternehmen muss in der laufenden Tarifrunde zwingend berücksichtigt werden.

Kosten steigen schneller als Erlöse
Die Arbeitskosten der deutschen M+E-Industrie liegen international mit an der Spitze. Gleichzeitig hat Deutschland die höchsten Strompreise aller Industrieländer — mit zunehmender Tendenz. Mit den corona-bedingten Lieferengpässen und dem Ukraine-Krieg verschärft sich die Lage weiter: Den Rekordanstieg bei den Gaspreisen haben Wettbewerber außerhalb Europas nicht zu tragen. Die Kostenexplosionen bei Energie und Rohstoffen verteuern zentrale Vorleistungen wie Stahl, Chemie und Kunststoffe. Damit verliert die deutsche M+E-Industrie massiv an Wettbewerbsfähigkeit. Die Firmen können die gestiegenen Kosten nur in wenigen Ausnahmefällen an ihre Kunden weitergeben. Folge: Erträge sinken und Investitionen müssen gekürzt werden.

Die Weltwirtschaft steht vor einem Abschwung
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, die Null-Covid-Politik Chinas und das notwendige Ende der ultralockeren Geldpolitik – so richtig die Entscheidung auch ist — bremsen weltweit die Konjunktur. Die Verwerfungen in den Liefer- und Wertschöpfungsketten und drastische Kostenzuwächse bei Energie und Rohstoffen drohen Investitionen und Nachfrage abzuwürgen. Eine Kombination aus hohen Preisen und sinkenden Aufträgen wäre die Folge. Dabei muss klar sein: Jede dauerhafte Kostenbelastung schränkt die Möglichkeiten der M+E-Unternehmen noch weiter ein, in neue Produkte, Prozesse und Geschäftsmodelle zu investieren, um die Herausforderungen des Strukturwandels und den Weg in die Klimaneutralität zu bewältigen.

Die Lage ist so unterschiedlich wie nie zuvor — es gibt Unternehmen, die trotz allem gut dastehen, vielen anderen geht es deutlich schlechter. Und die Unsicherheit ist größer denn je. Und wenn es zu einer Gasnotlage kommen sollte, sind alle Überlegungen hinfällig.